Archiv des Autors: Daniel

Realistischer Formcheck

Wer wissen will, wo die Bayern aktuell stehen, der hat beim Champions-League-Spiel gegen den AC Florenz hoffentlich ganz genau hingesehen. Nachdem die Euphorie ob der Bundesliga-Dominanz bei einigen realitätsblinden Beobachtern schon in den Himmel gewachsen war, zeigte die Fiorentina über weite Strecken des Spiels, wie leicht dem vermeintlichen Zauberfußball der „Bestia Negra“ der Zahn zu ziehen ist.

Bevor das Spiel in Hälfte zwei der Zerfahrenheit anheim fiel und von beiden Seiten zunehmende Härte die spielerischen Akzente ersetzte, zeigte sich dem geneigten Zuschauer eine Partie, die jedem Fußballlehrbuch zur Ehre gereicht hätte. Florenz spielte aggressives Forechecking, stand eng am Mann und stellte die Räume clever zu. Noch bemerkenswerter jedoch war das Spiel der Münchener Bayern. Der Gegner ließ spektakulären Hurra-Fußball nicht zu, also spielte man keinen Hurra-Fußball.

Hinter dieser lapidaren Aussage steckt ein beeindruckender taktischer Reifeprozess, den die Mannschaft unter der Ägide von Louis van Gaal durchlaufen hat. Die Souveränität und Gelassenheit, mit der man auf Münchener Seite den Ball durch die eigenen Reihen laufen ließ und geduldig auf die Lücke wartete, mag dem gemeinen Fan nicht schmecken, zeugt aber von taktischer Reife und gesteigerter Qualität. Noch unter Jürgen Klinsmann wäre man mit dem Kopf durch die Wand gerannt, um aufgrund des kräftezehrenden Spiels in der Schlussviertelstunde auseinanderzufallen.

An diesem so aufschlussreichen Mittwoch hingegen hatte man zu keiner Zeit das Gefühl, die Bayern könnten das Spiel verlieren. Lohn der Geduld – und somit folgerichtig – war der Führungstreffer zum Ende der ersten Halbzeit. Wo also steht der FC Bayern München nach dieser Halbzeit? Anders als in der Bundesliga kann der Gegner international nicht an die Wand gespielt werden, zumindest nicht über eine komplette Halbzeit. Gegen die Fiorentina , die man angesichts der Ergebnisse aus der Gruppenphase durchaus zur erweiterten Weltspitze zählen darf, reichte es aber zu einem deutlichen spielerischen Übergewicht, welches sich nicht nur, vielleicht nicht einmal in erster Linie, der individuellen Klasse verdankt, sondern einer klaren taktischen Handschrift. Diese Handschrift wurde – und das ist das eigentlich Bemerkenswerte – von der Mannschaft eine Halbzeit lang präzise umgesetzt. So intelligent hat man eine deutsche Vereinsmannschaft selten spielen sehen.

Sicher, noch passte nicht alles zusammen. In der Offensive fehlte der letzte Schliff (wo war eigentlich Müller?), Hälfte zwei zeigte phasenweise Rumpelfußball altdeutscher Schule und das positive Ergebnis kam letztendlich glücklich zustande. Dennoch: Diese Mannschaft ist auf einem guten Weg, der ihr mit einiger Wahrscheinlichkeit den nationalen Titel bescheren wird. International hängen die Trauben allerdings höher. Ein Champions-League-Sieg in dieser Saison kommt wohl zu früh. Wenn aber Louis van Gaal in Ruhe weiterarbeiten und die Mannschaft nach seiner Fasson umbauen darf, dann können Bayern-Fans bald wieder berechtigt träumen.

Die Heldenbäckerei

Es ist ja auch verständlich und lädt trotzdem nicht zu Nachsicht ein. Irgendwo zwischen dem Rücktritt von Franz Beckenbauer und dem Ausscheiden von Lothar Matthäus sind der Fußballnation die Helden abhanden gekommen. Und die deutsche Fußballseele lechzt nach Helden, die deshalb händeringend gesucht werden. Ballack taugt nicht; zu spröde der Charme, zu teutonisch die Auftritte auf dem Platz. Ein Philipp Lahm überzeugt als kreuzbraver Schwiegermutterschwarm („handsome“, würden die Tommys wohl sagen), hat sich für höhere Helden-Weihen aber spätestens seit seinem Werbeauftritt für Deutschlands heldenhafteste Zeitung disqualifiziert. So zieht die geifernde Medienmeute der Jubelperser weiter, immer auf der Suche nach einer neuen Sau, die durchs Dorf getrieben werden kann, nach einem neuen Opfer halbgarer Sympathiebekundungen.

Jetzt also Özil. Mesut mit Vornamen. Aber worüber reden wir denn hier? Wir reden über einen definitiv talentierten jungen Mann, der mit seinen 20 Lenzen jedoch kaum der Mutterbrust entwöhnt ist und jetzt ins kalte Haifischbecken des bundesdeutschen Fußballjournalismus geworfen wird. Unverhofft und fast ohne eigenes Zutun. Er hat ein (in Zahlen: 1) gutes Länderspiel gemacht. Meinetwegen auch ein sehr gutes. Er wird es möglicherweise noch bereuen.

Damit das nicht passiert, eine demütige Bitte: Ball flach halten, Kirche im Dorf lassen, Kuh vom Eis und so weiter. Jedenfalls keine Messias-Zuschreibungen an einen jungen Deutsch-Türken (oder Türken-Deutschen?), der – wenn man die Gebete vor Spielbeginn richtig interpretiert – mit diesen ob seines Glaubens ohnehin wenig anfangen kann. Wenn man ihn in Ruhe eine gute Saison beim SV Werder Bremen spielen lässt, wenn man ihm Zeit und Spielpraxis für eine gute Entwicklung gibt, kann ein sehr guter Spieler aus ihm werden, der auch der Nationalmannschaft weiterhelfen kann und wird. Bis dahin gilt: Setzen, Keks nehmen und wenn man es gar nicht mehr aushalten kann: Den alten Gerd-Müller-Schrein entstauben.

Die Abschlusstabelle 2009/2010

„Wir brauchen Eier“, wusste schon Oli Kahn. Und weil der Titan grundsätzlich immer Recht hat (er versteckt das gerade als öffentlich-rechtlicher Experte nur sehr gut), hier unser Beitrag zum Thema Eier: Wir legen uns fest und wissen (nach kurzer, aber hitziger Debatte) schon jetzt mit hundertzwoprozentiger Sicherheit, wie die Abschlusstabelle der aktuellen Bundesligasaison aussehen wird.

1. Bayern München
2. HSV
3. VfB
4. Dortmund
5. Wolfsburg
6. Werder
7. Hoffenheim
8. Schalke
9. Leverkusen
10. Hertha
11. Köln
12. Gladbach
13. Nürnberg
14. Bochum
15. Freiburg
16. Frankfurt
17. Mainz
18. Hannover

Wer dagegen wettet (Meister und Absteiger) und am Ende der Saison besser liegt, kann eines von zehn originalen Fußballgedanken-Shirts gewinnen. Zuschriften bitte über die Kommentarfunktion.