Blindheit auf höchstem Niveau

Das fussballgedanken-Team hat sich den besonderen Themen verschrieben, jenen Gesängen, die abseits der großen Fankurven ertönen. Und dennoch bleibt nicht jede thematische Versuchung, die direkt oder nicht so direkt durch Medienkollegen oder deren allesamt erfrischende Erzeugnisse an uns heran getragen wird, ohne Erfolg.

Blindheit hat als angedichtete, irgendwie wenig schmeichelhafte Eigenschaft auf und neben den Fußballplätzen dieser Welt eine lange Tradition. Meist ist es die fehlende räumliche und insbesondere emotionale Distanz, die zu einer gewissen Sehschwäche im Sinne von massiven Fehleinschätzungen führt. Mitunter ist das Leistungsvermögen der Gucklöcher durchaus bei einhundert Prozent, aber Fehlschaltungen auf dem Weg zum höher gelegenen Hirn führen zu dramatischen Leistungseinbrüchen. Im Grunde auch schnurzpiep.

Wir lassen uns erstmals hinreißen und reden über selbstbewusst und pausbäckig ausgelebte Blindheit auf höchstem Niveau. Möglicherweise sogar eine Blindheit mit weit um sich schlagender Inkubationskeule.

Das Eis ist dünn, zugegeben, aber betreten wir es mit dem Mute der Verzweiflung: Ein Großteil der ins Fußballgeschäft involvierten Journalistenkollegen sind entweder mit naiver Romantik ausgestattete, mitunter sogar wenig eloquente Nulpen oder sensationsgeile Rampensäue, die sich gerne im Lichte derer sonnen, die sie zwei Ausgaben und eine Sendung später verbal in die Wade beissen. Punkt. Blind, was die wahre Bedeutung, seine Interpretation, spieltechnisch und taktische, vor allem aber internationale Bedeutung dieses wunderbaren Sports angeht, ist hierzulande ein Gros der Kollegen. Leider.

Man könnte es den Töpperwien- oder Faßbender-Effekt nennen, aber bei diesen verbal wie handwerklich eher unterdurchschnittlichen Vertretern des deutschen Sportjournalismus ist wenigstens Herzblut im Spiel. Denn: Passion vermag einiges zu kompensieren, allerdings bei weitem nicht jeden Schnitzer, wie der angesprochene ZDF-Kollege unlängst mit seinem Spielbericht aus Mainz (2:1 gegen den FC Bayern) für das Sportstudio unter Beweis stellte: Genie und Wahnsinn eng beieinander, viel zu eng für meinen Geschmack. Spielbericht eine mittelschwere Katastrophe, die Interviews hingegen große Klasse.

Weil wir Töppi am Ende des Tages ob seiner Liebe zum Ball mögen und ihm auch den Stadionsprecher für den 1. FFC Frankfurt verzeihen, gibt es hier das gelungene Interview mit dem westfälischen Lautsprecher in Bayern-Kreisen, Herrn Karlheinz Rummenigge, als Zeichen unseres Respekts, trotz, naja, Sie wissen schon…

Fragen bleiben dennoch. Viele. Wann wird die schreibende, filmende und jederzeit fleißig fragende Menschenschar hierzulande begreifen, dass es Gesetzmäßigkeiten im Fußball gibt? Dass Hierarchie offensichtlich nur in Deutschland eine Rolle spielt und bei einem Gegentor nicht zwingend die Defensivreihe Schuld trägt? Wann werden sie lernen, Leistungen korrekt einzuschätzen und trotz kindlicher Begeisterung Spiele realistisch abzubilden? Wann schweift der Blick mal hinaus über diesen doch sehr beschränkten deutschen Horizont mit Abstechern auf die heiß geliebte Insel, deren Leistungsdichte ohne Zweifel unter jener der Bundesliga liegt? Warum räumt das DSF Sonntag für Sonntag nachhaltigen Dummschwätzern kostbare Sendezeit ein, die einen Juan Arango nicht kennen, aber Mario Gomez auf europäischem Niveau sehen?

Einer nicht zu leugnenden Mehrheit im deutschen Fußballjournalismus mag es irgendwie schon auch um diesen Sport zu gehen. Begriffen aber haben sie nichts. Es geht nicht um Ohrfeigen, die ein überschätzter Kölner Fußballspieler in latentem Mangel an Hirnleistung seinem Capitano mitgibt. Es geht nicht um all das Beiwerk, gescheite, von praxisfernen Dozenten an Journalisten- oder anderen Hochschulen vorformulierte Fragen an schwitzende Akteure, fünfzehn Sekunden nach Abpfiff.

Es geht um Seriosität, auch um Leidenschaft, insbesondere aber um Hingabe, um mit geschulten Augen und klopfendem Herzen diesen Sport und seine Akteure richtig zu begreifen und dann medial zu transportieren. Es geht um die richtigen Kommentare zur richtigen Zeit. Um plausible Nachrichtenwerte für sauber recherchierte Geschichten. Um erweiterte Horizonte. Die Wahrheit liegt immer auf dem Platz, nie in einer schicken Media Lounge, beim Klasse-Italiener um die Ecke oder auf dem beheizten Trainingsgelände.

Natürlich funktioniert ein guter Journalist in der geliebten Fußballwelt weniger abstrakt. Im Grunde aber treffen diese Beschreibung den Kern des Jobs und sie zeigen, was all den vermeintlichen Experten fehlt.

Kopf und Herz benötigten weitere unzumutbare Kapazitäten, um alle thematisch relevanten Inhalte zu journalistischen Fehlleistungen in deutsche Land zu konstatieren. Das aber wird weder diesem Medium unserer Wahl gerecht, noch verändert es die Tatsache, dass ausgerechnet die bedenklichsten Fälle wegen ihrer außergewöhnlichen Fähigkeiten direkt zur Ausbildung von Nachwuchskräften heran gezogen werden oder wenigstens wurden: bei Michael Steinbrecher ist das unter Umständen mit vielen zugedrückten Augen gerade noch nachvollziehbar, was ein Boris Büchler an der Sporthochschule Köln vermittelte, soll mir unbedingt insbesondere im Detail verborgen bleiben. Vielleicht liefert er seinen ehemaligen Schützlingen Woche für Woche aber auch anschauliches Bildmaterial dafür, wie Journalismus im Fußball nicht geht. Wieder einmal muss man Uli Hoeneß zustimmen, ob gewollt oder nicht.

Warum sich einige Funktionäre überlegt haben, Steffen Simon könne bedenkenlos auf ein Millionenpublikum losgelassen werden, wird mir auch für immer verborgen bleiben. Vielleicht sind sie gut versichert. Auch dem guten alten Poschi sollte man mal stecken, dass er nur zu Leichtathletikveranstaltungen Sportarenen betreten sollte. Über die Printjungs kommen mir die Tränen: Die sportjournalistischen Erzeugnisse der Springer-Presse verdienen nicht einmal Beleidigungen. In der Seele aber tut mir weh, wie schlecht der altehrwürdige kicker tatsächlich ist; auch, weil dort mit Jörg Jakob einer in der Chefetage sitzt, der die gleichen Wurzeln hat wie ich.

Hoffnung keimt bei 11FREUNDE und der Frankfurter Rundschau: Viel Herz, viel Leidenschaft, einige Fehleinschätzung und dennoch ein gutes Gespür für Geschichten.

Und überhaupt: Nicht in die Pfanne hauen wollen wir, vielmehr sensibilisieren für die wahren Nachrichtenwerte, relevanten Informationen und internationalen Perspektiven des Fußballs im 21. Jahrhundert und davor. Uns stellt sich die Frage, wie lange sich ein derart professionell und attraktiv agierender Fußballsport in Deutschland ein in der Mehrheit derart unprofessionelles und unattraktives Journalistenkollektiv leisten kann; von wollen kann unter den Voraussetzungen geistiger Unversehrtheit bei den Betroffenen keine Rede sein.

Apropos Hoeneß, war der nicht eben erwähnt: Wir vergeben in dieser Woche noch eine zweite Nuss für Blindheit auf hohem, ja, höchstem Niveau. Das jedoch, nachdem wir einen großen, dicken Hut mit vielen Würsteln drin vor Uli Hoeneß’ Leistungen für seinen geliebten FC Bayern in den vergangenen dreißig Jahren gezogen haben. Gut. Erledigt.

Zu reden hätten wir aber noch ein wenig über die Transfers in den vergangenen beiden Jahren, die durchaus auch wenig clevere Zeitgenossen mit bedenklich trübem Blick für die aktuelle sportliche Misere verantwortlich machen.

Man könnte gar auf die Idee kommen, dass selbst eine Mannschaft wie Bayern München an Schrecken verliert, wenn Leistungsträger verkauft werden und kein gleichwertiger Ersatz das Bazi-Trikot überstreift. Aus der „bestia negra“ ist ein Zahn- und Mähnen loser Altlöwe geworden, den auch frisches holländisches Blut nicht wieder dauerhaft zu jugendlichen Glanztaten motivieren wird.

Vielleicht aber auch spekuliert man an der Säbener Straße darauf, große Schlachten in der Champions League wie etwa gegen Juventus Turin mit der Taktik für sich zu entscheiden,  vorne ein Tor mehr zu schießen als hinten zu kassieren. Klartext: Es brauchte keinen weiteren Flügelstürmer, obwohl Robben zweifelsohne seinen Reiz hat. Diese Mannschaft ist angesichts eigener und fremder Erwartungshaltung dringend auf einen hervorragenden Torwächter (guten Tag, Herr Netzer), einen Innenverteidiger von internationalem Format (Lucio), einen weiteren Außenverteidiger (Juan Vargas) und insbesondere einen Spielmacher (es gibt sie noch und sie sind wichtig) sowie einen zusätzlichen kreativen Mittelfeldakteur angewiesen.

Immerhin verriet der neue Coach mehr oder weniger ungefragt, dass er mit den diesjährigen Transfers wenig zu tun habe. Gute Sache. Wusste in dem Moment nicht, ob ich lachen oder weinen muss.

Wir warten ab, erfreuen uns am Spiel und hoffen, dass die Sportkameraden Lahm und Schweinsteiger nach der Saison endlich über ausreichend männliche Härte verfügen, um ins Ausland zu wechseln.

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