Sie irren sich oder: Hütet Euch vor den Matrazenmachern

An vielen Tagen im Jahr bleibt Nyon beschaulich im Wortsinne. Hin und wieder allerdings, wenn der Fußball seine Vertreter schickt ins Zentrum des exquisiten wie exklusiven europäischen Verbandes, wackeln die Wände im Schweizerischen. Heute: Auslosung des  Viertelfinale der Klasse jener Könige, die in diesem Jahr allesamt nach Berlin fahren möchten. In den Hauptrollen: UEFA-Repräsentanten mit süßem Italo-Englisch und der Allgäuer Altinternationale Kalle Riedle. Sein Händchen für besondere Momente scheint erhalten geblieben, in mehrfacher Hinsicht.
Während man in Atletico-Klubkreisen das ins Gesicht zementierte Grinsen wohl zeitnah im Rahmen eines kosmetischen Eingriffs eliminieren muss, dominieren beim amtierenden Champion der Champions Schwitzhände und Angsthäufchen. Die bis dato letzten vier Ligaspiele gegen die los colchoneros gingen allesamt verloren, auch im spanischen Pokal brachte der Stadtrivale den Knockout und das Champions League-Finale der vergangenen Saison wurde nur mit sehr viel Glück gegen die Matrazenmacher gewonnen. Da wartet eine gewaltige Herausforderung auf die Madridistas, ausgerechnet in der eigenen Stadt. Dumm nur, dass sie sowohl in Meisterschaft, als auch zuletzt im Achtelfinale der europäischen Meisterrunde beharrlich an ihrer schlechten Form festhielten. Einzig ein bärenstarker, sehr flexibler Ronaldo hielt die Krise klein, das Gerede kurz, das mediale Donnerwetter erträglich. Diese kleine Krieg mit Atletico hat einen offenen Ausgang. Ich bin allerdings sicher, dass der Mister nach dem Ende der Saison richtig durchschnaufen wird können, unabhängig vom weiteren Verlauf der Saison, der am morgigen Samstag ins Camp Nou führt. Die Real-Führungsriege hat schon Coaches weggeschossen, die soeben die Europas Krone erobert hatten. Meine Empfehlung für Onkel Carlo: Nach vielen Jahren in der Fremde endlich mal wieder die Heimat von ihren schönsten Seiten kennenlernen. Wie wäre es mit einer Rucksacktour durch die Alpen? Oder vielleicht mit dem Caravan zum Gardasee?

Beim FC Barcelona genießen sie den warmen katalanischen Frühling und berauschen sich an der wiederentdeckten Form. Gegen PSG, jenen nur sehr vermeintlich überraschenden Viertelfinalisten wird es trotz der eigenen offensiven Wucht ungleich schwerer als im anstehenden Clasico gegen Real. Im Schatten des eigenen, eher durchschnittlich fordernden Ligabetriebs hat Genius Laurent Blanc in der Stadt der Liebe eine erste Elf geformt, die mittlerweile das entscheidendes Kriterium erfüllt, um internationale Titel zu gewinnen: Herausragende defensive Qualität. Thiago Silva ist in diesen Tagen der beste Abwehrspieler weltweit, an seiner Seite hat sich David Luiz nach dem Weltturnierfiasko längst stabilisiert. Das Verschieben der Mannschaft bei Ballverlust ist beeindruckend und ohne jeden Zweifel europäische Spitzenklasse. Glück für PSG: Das Spiel nach vorne machen enthusiastische Journalisten gerne am hyperaktiven Egomanen Ibrahimovic fest, die im Sinne des Kollektivs für Übungsleiter Blanc viel entscheidenderen Offensivbausteine Lavezzi und Pastore, vor allem aber Lucas gehen derweil medial unentdeckt überaus erfolgreich ihrem Job nach. Diese Variante von PSG ist für Barca eine Bedrohung. Auch weil die Mannen von Luis Enrique exakt diese beschriebene defensive Stabilität nicht mehr haben. Daniel Alves, in der nächsten Saison dann an der Seine zu bewundern, und Jordi Alba stehen im System von Enrique zwar tiefer, aufgrund des inkonsequenten Umschaltspiels und eines zwar interessanten, aber wackeligen 3-2-3-2-Systems, sehen sich die beiden Außenläufer immer wieder einem Unterzahlspiel ausgesetzt. Mit einiger Verwunderung in den Äuglein durfte ich im Camp Nou unlängst bewundern, wie Rayo Vallecano Barca immer wieder in Verlegenheit bringen konnte, über eben jene Außenpositionen. Die 1:6-Niederlage am Ende war für die Gäste aus dem Madrider Vorort deutlich zu hoch ausgefallen. Trügerisch für Barca, das seine neue Stärke nun gegen den formstarken Geheimtipp PSG beweisen kann.

Im Kontext des Bayern zugelosten Viertelfinalgegners FC Porto wählen viele Beobachter die Terminologie Freilos. Sie irren sich. Es wird viel geschrieben rund um den (internationalen) Fußball, wenig Substanzielles bleibt am Ende des Tages zu konstatieren. Angesichts der jüngeren Champions League-Geschichte der bestia negra, zuletzt auch gerne in frisches Weiß, Blau und Rot gehüllt, wäre es schlicht falsch, den Favoritenstatus in die portugiesische Hafenstadt zu schieben, großer Respekt aber ist dringend anzuraten. Der am Atlantik ansässige Meister von 2013 kommt, trotz einiger erwähnenswerter Individualisten, eindeutig über das Kollektiv zu seinem aktuellen Erfolg. Gesprochen wird über die überdurchschnittlich treffsichere Offensive um den Kolumbianer Jackson Martinez, beachtlich ist allerdings die sehr gute Defensivarbeit. Der FC Porto hat in der laufenden Meisterschaft die wenigsten Gegentore und insgesamt nur zwei Niederlagen kassieren müssen. Es wird sicher kein Spaziergang für Guardialos willige Helfer. Man darf gespannt sein, wie der katalanische Taktikgroßmeister seine Mannschaft in Porto aufstellen wird.

Schade, vermeidbar, fahrlässig wären die passenden Beschreibungen für die im Achtelfinale gegen Juventus Turin dokumentierten Auftritte von Borussia Dortmund. Nach drei fußballerisch starken Jahren mit der Rückkehr in die europäische Elite, verläuft die aktuelle Saison insgesamt katastrophal, die letzten Auftritte in dem wichtigsten kontinentalen Klubwettbewerb signalisieren massive Probleme im Kader am deutlichsten. Man muss für das schwarzgelbe Scouting vor Saisonstart nichts anderes als Versagen feststellen. Das laute Lamentieren über die Verluste von Götze und Lewandowski ist zu belächeln, die vielen Klubs, denen der BVB die stärksten Spieler klaut, jammern leiser. Einzig die Kompensation der eigenen Abgänge ist ein Waterloo-Ereignis für die Verantwortlichen. Es war bereits vor der Saison abzusehen, dass Adrian Ramos kein Stürmer ist, der zu den von Jürgen Klopp präferierten Spielsystemen passt und für die Information, dass Ciro Immobile spezifische Umgebungsbedingungen für sportliche Höchstleistungen braucht, wäre keine Italienexkursion nötig gewesen. Dass man nach großen Turnieren, die dann auch noch in größtmöglichen Erfolg für die abgestellten Angestellten münden, einen auch qualitativ tiefen Kader benötigt, hat sich im Süden der Republik als Erkenntnis durchsetzen können, im Westen trocknen sie salzige Tränen. Wie schnell „echte Liebe“ dann auch schon mal geopfert wird, ist im Westfalenstadion aka Signal Iduna-Park immer häufiger nicht zu überhören. Neben den bereits angesprochenen Sportkameraden Immobile und Ramos fehlte auch den Herren Kirch, Kampl, Ginter, Schmelzer, Kehl und Bender schlicht die Klasse, um gegen ein verbessertes Juve mitzuhalten und sie fehlt, um zeitnah europäisch zu jubeln. Der schnelle Mann aus dem Gabun gründete unlängst mit Mchitarjan, Kagawa und Sahin den Klub der Unsichtbaren und am Ende des Tages wird es für den bemitleidenswerten Superhelden Reus schwer, die vom Plebs und weiten Teilen der Journallie überschwänglich gelobhudelten Ambitionen zu realisieren, die er bei seiner Vertragsverlängerung offensiv verkündete. Wieder einmal zeigt sich, dass zwischen dem Bundesliga-Alltag und der Champions League diverse Qualitätssprünge zu überstehen gilt. Und die Anstrengungen im Pott waren zuletzt ausschließlich Hüpfer, nicht mehr, nicht weniger. Unter dem Strich kann es für den BVB in dieser Saison nur ein Fazit geben: Erstaunliche Fehlerketten auf allen Ebenen führen zu Versagen des Gesamtsystems. Es ist mit dem legitimen neuen Anspruch der Dortmunder nicht in Einklang zu bringen, Juventus Turin auf eigenem Platz mit 0:3 zu unterliegen und in der Liga keine Rolle zu spielen.