einige gedanken zum in bälde startenden fußballweltturnier

++ sozusagen natürlich stellt sich immer die frage nach den #favoriten dieses lauschigen festes der jugend und des sports. ich habe lange darüber nachdenken müssen und händeringend versucht, dieser melange aus information, beobachtung und anschließender analyse wahnwitzige erkenntnisse zu entziehen. allein es wollte kein eindeutiges ergebnis resultieren. dennoch wage ich es und haue einen geradezu unfassbaren raus: brasilien wird weltmeister. und weil ich niemals die kraft eines guten arguments unterschätze, hier gleich ein paar:

tites flexibles 4-3-3 (ajax ole) steht schon immer für spektakulären fußball, es gibt keinen (entschuldigung!) geileren fußball. deutlich verbessert ist beim rekordweltmeister allerdings die defensive robustheit durch casemiro, paulinho und fernandinho im zentrum und eine extrem disziplinierte arbeit aller mannschaftsteile gegen den ball. es ist wirklich bemerkenswert zu sehen, wie sich neymar defensiv entwickelt hat; das war während der qualifikation schon zum augen reiben und setzte sich auch in den freundschaftsspielen fort. nach vorne stellen sie mit neymar, jesus und coutinho ohnehin den stärksten dreierangriff des turniers. die besten kombinationsfußballer werden sie ohnehin immer sein, individuelle klasse werden sie auch immer haben, jetzt kommen kollektivstärke und disziplin hinzu.

diese potenziale PLUS starke aktuelle form GLEICH klarer fav für mich.

++ auch die potenziellen #überraschungsmannschaften werden gerne und oft thematisiert. wer wird island 2.0 sozusagen. island übrigens sicherlich nicht.

dann schon eher peru. nicht bloß, weil ich land und menschen wirklich sehr, sehr, sehr mag und seit zwanzig jahren den fußball im land intensiv beobachte, die mannschaft hat sich unter gareca in quantensprüngen entwickelt. er hat die stärken des peruanischen fußballs erkannt (es gibt auf diesem erdball kein team, das über eine kombinationsfähigkeit auf engstem raum verfügt wie brasilien, spanien und peru) und auf die straße gebracht.

während der starken quali hatten viele peruaner schon einen glückshormonoverkill, die form wurde aber eindrucksvoll gehalten und weiter ausgebaut; kroatien war absolut chancenlos in der freundschaftlichen begegnung zuletzt. fubito (die peruanische variante von futsal) liebt jeder im land, es wird aber traditionellerweise fünf gegen fünf oder sechs gegen sechs gespielt, auf betonplatz mit plastikball. das beeindruckende peruanische knowhow dieses faszinierenden fußballspiels konnte man nur in einer kurzen phase zwischen 1977 und 1983 auf einen großen platz transportieren (hugo sotil und teofilo als leuchttürme), dann nie wieder, bis vor wenigen jahren, als ausgerechnet ein argentinier kam und eine taktik entwickelte, die exakt das macht: fubito in groß.

bitte achtet mal darauf: sie greifen meist in fünfer- manchmal auch in sechsergruppen an und sie verteidigen in diesen formationen. europäischer kombinationsfußball denkt eher in dreiecken, die peruaner sind sehr innovativ, was das betrifft und werden noch einigen gegnern probleme machen.

achso, noch was: bei übertragungen werden deutsche kommentatoren natürlich auf die ex-deutschen farfan und guerrero fokussieren, weil deutsche kommentatoren so etwas tun und im weiten teilen faktisch ahnungslos sind von fußballgeschehen über deutsche grenzen hinaus (generalkritik vol. 28.0 siehe unten). farfan, eigentlich aber auch guerrero spielen keine besondere rolle in diesem team, das tatsächlich einen überragenden teamspirit hat und den erfolg darauf auch gründet; farfan war zuletzt nur noch backup.

wenn es denn zwei namen bräuchte: schaut euch renato tapia auf der sechserposition und cristian cueva (geiler klassischer zehner, kann aber auch die kroos’sche acht) genauer an, großartige spieler.

die teilnahme ist so wundervoll für dieses land, dass es kaum in worte zu fassen ist. ich hörte, dass in russland 3.000 peruanische fans erwartet werden… irgendwie unfasslich. egal: arriba peru!

 

++ #überraschungsmannschaftenZumZweiten: ich mag englischen fußball nicht, mochte ihn noch nie: zu viel tempo für viel zu wenig fußballerische klasse bzw. zu stark limitierte technische möglichkeiten. man sollte sich aus persönlicher antipathie aber keinesfalls zu fehlschlüssen hinreißen lassen: southgate hat es geschafft, die latenten schwächen der mannschaft zu ignorieren bzw. durch eine stärkung der stärken weitgehend zu kompensieren. sie haben einen schwachen torhüter, okay, ist eine englische mannschaft. davor verteidigen aber mindestens acht feldspieler sehr effizient. ihr spiel nach vorne ist ziemlich schnörkellos und sehr vertikal, was durch das tempo der spieler natürlich auch eine zu präferierende spielidee ist. wie auch immer: wenn sie ihren turnierkomplex und die angsthäufchen in den griff bekommen und ihre stabile form halten, ist das halbfinale nicht utopisch. ihr tempo und die offensive griffigkeit sind brandgefährlich.

 

++ gut, nun mal zur thematik #großartige spieler gehopst: für ronaldo und messi wird es eng. das turnierchen in russland wird ihr ende als dominierende spieler einer besonderen generation einläuten, im falle von ronaldo hört man die hellen glöckchen schon seit der em 2016 munter läuten. wer aber sind die zukünftigen stars? eine ganz schwierige frage, aber ich möchte mit verlaub auf zwei spieler hinweisen, die ich für granaten halte und die jetzt die chance haben, sich internationalem niveau zu stellen.

die absolute nummer eins auf dieser liste ist für mich christian pavon, argentinier, 96er jahrgang, stammspieler und leistungsträger bei boca. der typ ist ein außenstürmer wie gemalt, ein talent, wie man es schon länger nicht gesehen hat: technisch sehr beschlagen, extremes tempo, wahnsinnig gute antizipationsfähigkeiten und jederzeit das potenzial für etwas außergewöhnliches. sicher kein neuer messi, weil komplett anderer spielertyp (siehe dummschwätz deutscher kommentatoren), eher eine mischung aus griezmann, ronaldo und neymar. aber auch das greift zu kurz: er steht für sich. wird nach der wm zu einem großen europäischen klub wechseln… wetten?

kandidat nummer zwei spielt mittlerweile bei barca und hat es in seinem ersten halbjahr auch schon auf einige einsätze gebracht: yerry mina, kolumbianer, innenverteidiger, abgezockter, sehr physischer und dennoch, feiner intelligenter kerl. erinnert ein bisschen an roberto ayala, ist aber um eine klasse stärker bei der spieleröffnung. in zwei jahren spätestens einer der fünf besten innenverteidiger weltweit.

 

++ noch ein, zwei worte zur #deutschen mannschaft, viele maulen nach schwierigen leistungsnachweisen wieder und befürchten schlimmstes. was die voraussetzungen betrifft, glaube ich, dass deutschland nach 1972 niemals mehr eine stärkere auswahl hatte als die seit 2013 bis heute aktive. es gibt gründe für den status weltmeister.

die aktuelle form stimmt seit dem testspiel-spot im märz nicht, okay, in sachen fußballerisches potenzial aber gehört das team zu den drei stärksten überhaupt, unabhängig vom ergebnis in russland. man sollte bei argentinien und deutschland niemals den fehler machen und die auswahlen aufgrund vermeintlich schlechter umstände oder form abschreiben.

ich möchte aber meine kritik an der nichtnominierung von zwei spielern nach weiterer analyse und interessantem austausch mit menschenkindern, die professionell auf dem platz standen, wiederholen: mario gomez ist (nur noch) ein guter bundesliga-stürmer, der mittlerweile insbesondere eines ist: berechenbar. er wird dem team mit seinen skills nicht weiterhelfen können. sandro wagner hätte es gekonnt. als er gegen brasilien eingewechselt wurde, hat er in einer viertelstunde für mehr unruhe gesorgt, als alle anderen offensivkräfte in 75 minuten davor. weitere praxisnachweise wären möglich. warum ist das? sandro wagner ist ein unangenehmer, unberechenbarer hund, giftig, zweikampfstark, gutes näschen, nicht langsam, in summe schwierig zu verteidigen.

noch viel schmerzhafter wird sanè fehlen. der beste nachwuchsspieler der premier league hat etwas, das mit müller maximal ein weiterer deutscher offensivspieler aufweist: das talent und die lässigkeit und die nötige ignoranz bzw. arroganz, unabhängig von druck oder situativen parametern etwas ungewöhnliches, unerwartetes zu probieren, das häufig genug auch noch gelingt. müller trägt das in sich, sonst keiner. erstaunlich genug, dass deutschland es sich leistet, einen unterschiedspieler zuhause zu lassen (sehen nicht nur die engländer so). jede erfolgreiche mannschaft hat diese revoluzzer, diese unberechenbaren scheißtypen (entschuldigung!) und knallköpfe, die sich nichts vorschreiben lassen, in kein schema passen und der mannschaft zuliebe alles probieren. sanè ist so einer.

 

++dazu passend noch eine #beobachtung: seit etwa zwei jahren habe ich die chance, ein öffentlich gehyptes nachwuchsleistungszentrum (tsg wieseck/mittelhessen) und dessen ideen in der umsetzung zu beobachten. ganz dfb like schulen sie die fußballerischen fähigkeiten, von sauberem passspiel über dreiecksverteidigung bis hin zu taktischer variabilität. schnick, schnack, fettisch. so weit, so gut.

man vergisst gerne, dass der dfb diesen fußball im grunde in spanien geklaut hat und mit leichten anpassungen seit etwa zehn jahren umfänglich implementiert. was sie aber bei der übernahme nicht verstanden haben, ist, dass beim spanischen original allen kollektiven leitlinien zum trotz die ermutigung zur individualität eine riesige rolle spielt. typen wie sanè finden und ausbilden, rotzfreche individualisten, die den zweikampf lieben und brauchen, die verrückte sachen probieren und im zweifel trotzdem auch als mannschaftsspieler funktionieren. dekliniert man die spanische seleccion durch, finden sich diese charakter. es darf niemals heißen kollektiv vs. individualität, es braucht immer beides. und ob diese jungs neben dem platz die hellste kerze auf der torte sind oder nicht. ob sie herrn stutzky ein interview geben oder nicht. ob sie auf tierdokus stehen oder schlagermusik, hiphop oder dreierbmw, alles komplett humpe: solche typen brauchst du, wenn erfolg das ziel ist. es gibt dinge, die nicht diskutierbar sind, dieses ding gehört dazu.

 

++ damit bliebe, abschließend, auch ein #grundproblem des deutschen sportjournalismus wiederholt, das aktuell übrigens viele ehemalige bundesliga-spieler in mal mehr, mal weniger interessanten interviews erstaunlich deutlich artikulieren: miserable rezeption und ungleichbehandlung.

ob es aufgrund akuter unfähigkeit oder ignoranz geschieht, egal, deutsche fußballjournalisten hypen deutsche fußballer im tagesgeschäft regelmäßig in die weltklasse und insbesondere im vergleich schneiden deutsche fußballer immer (sic!) besser ab. macht euch bitte mal die mühe und analysiert den mordsmäßig guten kicker in der vergangenen saison hinsichtlich der bewertungen von kevin volland und lucas alario, beide bayern 04 leverkusen, beide stürmer, entsprechend konkurrenten um einen kaderplatz: die sogenannte analyse der selbsternannten experten ist von haarsträubender erbärmlichkeit. herr volland wird durchschnittlichem talent in die landesauswahl geschrieben, lucas alario sehr regelmäßig ignoriert. die liste der beispiele ist nahezu unerschöpflich und leider steht der kicker stellvertretend für ein ganzes kollektiv an ignoranten und nichtverstehern mit höchstem besserwisserpotenzial (say hello to bereits erwähntem mr. stutzky beim fabelhaften fußballsender sport 1, dessen name im hiesigen kontext zu allerlei lustigem wortspiel animierte, würden wir uns in diese niveauregionen begeben wollen. bleibt aber bei der wertschätzung eines guten arguments).

es bleibt zu hoffen, dass sich diese schlimme deutsche krankheit nicht ausgerechnet auch beim anstehenden fußballturnier in derart ausgeprägter form zeigt.

 

so, genug ist genug. wünsch euch viel spaß, was immer ihr tut in den kommenden vier wochen. geht grillen, trinkt bier, sorgt für einzahlerinnen und einzahler in die rentenkasse!

hang loose!

ps. aus aktuellem anlass 😉

https://www.youtube.com/watch?v=iA389-0___0